Das Breitband-Zeitalter macht es möglich. Die feste Bindung an einen Arbeitsplatz scheint nicht mehr nötig. Räumlich gesehen ist dieses Phänomen sich nicht wegzudiskutieren. File-Sharing über Programme wie DROPBOX oder sichere VPN Verbindungen in das Firmennetz machen es möglich.
Selbst kleine Unternehmen wie wir es eines sind, können ihren Mitarbeitern räumliche Freiheiten gewähren, die es vor Jahren noch nicht geben konnte, da die entsprechende Infrastruktur einfach nicht gegeben war.
Aber wie sieht es mit den entsprechenden Social-Skills aus? Gehen wir erst einmal vom Grundbedürfnis eines Gehaltszahlenden aus, Leistung für das gezahlte Gehalt als Gegenleistung zu bekommen.
Einen Buchhalter kann man einfach über die täglich abgearbeiteten 300 Rechnungen „tracken“, unterstützt durch Abweichungen von Durchschnitten, wie Fehlerquote oder Anzahl der durchschnittlich bearbeiteten Rechnungen.
Im IT-Bereich wird es schon schwieriger. Die System-Stabilität in einem Unternehmen aufzubauen, sicherzustellen oder zu erweitern als klassisches Beispiel einer IT-Kernaufgabe stellt einen Gehaltszahler schon vor die Problematik, dass die Lösung dieser Aufgabe sein Fachwissen deutlich übersteigt. Er kann noch nicht einmal die Aufgabe selbst definieren – „Ich will, dass das System störungsfrei läuft!“ ist sicher nicht die Projektumschreibung für die entsprechende Aufgabe der IT als Unternehmensbeitrag zum Erfolg.
Bei einer selbstkritischen Betrachtung sieht der Gehaltszahler, wenn nicht gleich auf den ersten Blick, dann aber mit Sicherheit auf den zweiten, dass auch eine räumliche Bindung der IT-Mitarbeiter sicher keine Garantie für die effiziente und effektive System-Stabilität ist. Die Zeit, die das Team an der Aufgabe arbeitet, ist weder vergleichbar, noch kontrollierbar und auch nicht skalierbar.
Was ergibt sich aus dieser unumstößlichen Tatsache?
Am Anfang war… die Einstellung des Mitarbeiters! Das Recruiting stellt einen elementaren Faktor im erfolgreichen Umsetzen dezentraler Strukturen dar und eigentlich nicht nur hier. Wer hier den Falschen einstellt, hat bereits verloren und das, obwohl der Mitarbeiter nur zwei Social-Skills mitbringen muss, um den Erfolg der dezentralen Unternehmensstruktur zu 90% zu gewährleisten.
Die Selbstverantwortung von Mitarbeitern muss einfach als Basis gegeben sein, um ein entsprechendes Vertrauen des Gehaltszahlers zu rechtfertigen. Das im Vertriebsaußendienst gebräuchliche: „Tarnen, Täuschen und Verpissen“ mag in der Masse eines Konzerns sicher gut funktionieren, aber wenn dann Kontroll-Mechanismen greifen, wird auch hier ersichtlich, dass diese Strategie des Mitarbeiters bei Leibe nicht von Nachhaltigkeit geprägt ist.
Neben der Selbstverantwortung gibt es noch einen weiteren „Selbst-Faktor“, der wahrscheinlich noch viel wichtiger ist als das Verantwortungsbewusstsein. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung!
Die Übernahme einer Aufgabe funktioniert entweder nach dem Schema, „mach ich fertig, muss ja sein“ oder „ja, ich löse dieses Problem, ich bin heiß auf diese spannende Aufgabe“. Sicher ist es so, dass nicht jede Herausforderung direkt an den Ehrgeiz der Selbstverwirklichung appelliert, aber ein gut gewählter Job, bietet mit Sicherheit ein Potential von 80% Aufgaben, in denen man sich selbst verwirklichen kann. Für die restlichen 20% greift dann die Selbstverantwortung.
Eine Kontrolle des Gehaltszahlers scheint unter diesen Umständen nahezu überflüssig. Der Mitarbeiter muss sich auch nicht mehr zwischen „Ich arbeite um zu leben“ und „Ich lebe um zu arbeiten“ entscheiden, vielmehr wird die Arbeit ein Teil des Lebens und kann direkt dazu beitragen, dass die Work-Life-Balance in der Waage gehalten wird.
Die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden ist damit kein Faktor mehr, für die Messung der Produktivität eines Mitarbeiters.
So viel zur Theorie. In der Praxis wird’s dann umso schwieriger. Für den Gehaltszahler kommt es darauf an, die klassischen Pfade zu verlassen und sich nicht auf die Führung nach Stempelkarte und „ich schau mal, ob alle arbeiten“ zu verlassen, sondern seinem Recruitinggeschick und dem Wunsch der Mitarbeiter nach Selbstverwirklichung zu vertrauen.
Der Mitarbeiter sieht es ähnlich schwierig aus. Wo fängt Selbstverwirklichung an, wo hört Selbstverantwortung auf? Was ist Produktivität in meinem konkreten Fall? Kann ich die mir selbstgesteckten Ziele erreichen oder führt dieses zur Selbstaufgabe?
Belüge ich mich selbst im stecken meiner Ziel und bin nicht produktiv genug, um Erfolg zu haben?
Diese Fragen müssen sich beide nur allzu genau permanent vor Augen halten. Reibungspunkte wird es immer geben.
Dieses kann ich besonders nach Tagen, an denen ein Kollege 1 Stunde zu spät, dafür aber mit Fahne im Office aufläuft, ein weiterer Kollege postet „ich komme gegen Mittag“ und noch ein weiterer Kollege entgegen einer Absprache erst ab 16 Uhr zur Verfügung steht. Ich glaube aber trotzdem sowohl an eine erfolgreiche dezentrale Unternehmensstruktur als auch an eine Mitarbeiterführung ohne Kontroll-Elemente.